Shiroi Kiba

Magneto und Batman

Bei Alagna scheint sich alles zu „normalisieren“. Sie hechelt zwar noch recht viel, aber als sie mich um 3:00 für den „mitten in der Nacht“-Snack aufgeweckt hat, waren weder die Hundebetten zerwühlt, noch die Wasserschüssel leer. Auch in der Früh war noch alles in Ordnung und sie ging freiwillig stillen.

Raus musste sie erst anschließend, sprich gegen 6:00 und war super motiviert. Langsam scheinen ihr wohl die Spaziergänge und Wanderungen zu fehlen, denn sie schleppte mich durch ziemlich abenteuerliches Gelände und wollte erst nach 30 Minuten wieder heim. Was sich leider auch normalisiert hat, ist die Dauer der Suche nach dem optimalen Platzerl fürs kleine und große Geschäft. Ich war ja begeistert, wie schnell sie es anfänglich schaffte, alles zu erledigen. Im Grunde reichte bereits das erste Grasbüschel. Mittlerweile wird wieder alles beschnuppert, Kreise um eine Stelle gedreht, schon zum Pinkeln angesetzt und dann aber doch wieder verworfen. Wenn das jetzt so weitergeht, muss ich wohl oder übel meinen kuscheligen Allwetter-Schlafrock gegen Hose und Jacke tauschen, denn so ganz salonfähig ist das Outfit dann doch nicht, außer wir wären vielleicht am Marvel Filmset. Da helfen auch meine Gummistiefel mit Hundemuster nicht wirklich.

Der Spaziergang war so abenteuerlich, dass ich ganz auf Ryoko vergessen habe. Sie war aber heute sehr brav oder verschlafen und hat den Welpen keinen Besuch abgestattet. Das wissen wir, weil wir Kameras aufgestellt haben und so auch sehen, was in unserer seltenen und immer nur kurzen Abwesenheit passiert. Die Aufnahmen helfen auch bei dem Stillseitenmanagement. So sehen wir auf welcher Seite Alagna wie oft stillt und es hält sich wirklich schön die Waage.

Am Anfang war das vielleicht noch nicht so wichtig. Acht Welpen, acht Zitzen das ist gerade noch genug. Die größeren, weniger wendigeren und einfallsreicheren Welpen besetzten die oberen vier. Die anderen schlangen sich zwischen ihren Geschwistern nach unten und besetzten die untere Reihe. Diese war aber deutlich weniger zugänglich, denn Alagna lag teilweise drauf und um sie zu erreichen, musste man schon ein Stück unter die Mama kriechen.

Aber jetzt, wo sie doch immer größer werden, geht es sich nicht mehr so leicht aus und es hängen meist nur sechs, manchmal 7 dran. Alagna hat ja eigentlich 10 Zitzen, die vorderen zwei sind aber ganz schwach ausgeprägt und ich dachte, da wäre gar keine Milch drinnen. Aber diese Piranhas schaffen es sogar dort was rauszusaugen. Trotzdem herrscht mittlerweile ein regelrechter Kampf an der Milchbar.

Untertags, wenn sie etwas aufgeweckter sind, bekommen sie es sofort mit, wenn das Trinkservice die Wurfbox betritt. Sie fangen wie wild an, herum zu kriechen und zu quieken. Es ist ein unglaubliches Gewusel. Wenn sie sich dann hinlegt, robben sie alle auf sie zu. Naja fast alle, Cerna rennt meist noch ihre Aufwärmrunden und Collar, unsere Schlafmütze, verschläft eigentlich immer den Start.

Wenn das Gros der Rasselbande die Zitzen erreicht hat, geht es erst so richtig los. Zuerst werden die oberen vier besetzt. Das sind die Einfachsten und Besten. Wer dort mal hängt saugt sich so fest, das ihn die Nachkommenden nicht wegdrängen können. Denn diese müssen jetzt entweder die Unteren anvisieren oder die anderen wegdrängen. Oft schaut es aus, als ob zwei an einer Zitze hängen würden. Auf der Suche nach einem freien Platz sind die Cowgirls-und-Boys sehr kreativ. Manche versuchen es von der Seite. Dazu müssen sie zuerst mal noch das Hindernis Mama überwinden bzw. ihre Beine. Sie zwängen sich durch und robben dann unter den anderen seitlich an ihr entlang, bis sie eine der unteren Zitzen finden. Perfektioniert wurde das von  Corra. Wobei sie dann aber erst recht oft in der oberen Reihe zwischen zwei Köpfen auftaucht. Wenn dann einer nicht fest genug gesaugt ist, wird er weggedrängt. Eine andere Taktik, die eher bei den wendigeren, mutigeren Anklang findet, ist der „Tauchgang“. Dazu muss man sich erst mal ganz an die Oberfläche kämpfen, über die anderen rauf krabbeln und kopfüber zwischen zwei Welpenköpfen durchtauchen.  Carlos ist da sehr gut darin, wobei er durch seinen aerodynamischen, kleinen Körper eigentlich von überall durch kann. Und wenn er mal eine Zitze erreicht hat, dann ist er von ihr kaum abzubringen. Nicht mal Coco, der nach der „Wegdräng“-Methode vorgeht, was bei der Masse, die er als Größter mittlerweile erreicht hat, verständlich ist. Er arbeitetet sich einfach zwischen zwei Zitzen hoch und drängt den schwächer Saugenden weg.

Hat man erstmal eine Zitze erreicht und saugt sich fest, ist die Versorgung trotzdem noch nicht gesichert. Denn jetzt kommt Mamas Zunge ins Spiel: das Putz- und Pipiservice. Es wird geputzt,  geschleckt und Bauchi massiert, was das Zeug hält. Dabei wirbelt Alagna die Welpen richtig durch die Gegend. Manche schaffen es dabei, an der Zitze zu bleiben. Andere fallen ab. Man kann das vielleicht ein bisschen mit Rodeo vergleichen „das Zitzenrodeo“. Auch später andocken schützt einen Welpen nicht vor diesem Ritual. Wenn ich die Spätzünder, wie zum Beispiel unsere Schlafmütze Collar aufwecke und er später andockt, dann riecht Alagna sofort, da gehört noch ein Pipiservice her.

Hat man das überstanden droht nur mehr die Gefahr des Mamabebens. Alagna legt sich oft noch etwas mehr auf den Rücken, um die untere Reihe zugänglicher zu machen. Dabei schüttelt sie so richtig den ganzen Körper. Dabei verlieren viele ihren hart erkämpften Platz und der Kampf geht wieder von vorne los.

Es tut richtig Weh beim Zuschauen, wie die Starken, die Schwachen verdrängen, Coco voran. So habe ich am Vortag beim Zitzenmanagement sehr oft dann Coco abgesetzt und durch Corra, Carlos oder einen anderen Sonderkandidaten ersetzt. Coco hat darauf hin 70g abgenommen. 😱 Der Arme hatte definitiv genug Reserven, aber ich ein unglaublich schlechtes Gewissen. Heute durfte er saugen solange er wollte.

Wenn man sich das so visualisiert, wie es da abgeht,  ist es verständlich, dass wenn die Welpen mal endlich allen Hindernissen zum Trotz einen Platz an der Milchbar ergattert haben, sie dann saugen was das Zeug hält. Dieses hektische Nuckeln wurde Cedric zum Verhängnis, denn er verkutzte sich letzte Nacht beim Mitternachtssnack. Der Arme versuchte anschließend gut 5 Minuten lang etwas rauszukutzen oder husten. Das hat ihn so angestrengt, dass es die nächsten zwei Fütterungen verschlief.  In der Früh hatte er zwar Kraft genug, um zur Milchbar zu robben, aber kurz vor der Zitze schlief er wieder ein. Auch als ich ihn ansetzte, dockte er zwar ganz kurz an, aber nuckelte nur 3x und ließ wieder los. Später machte er nicht mal mehr das Mäulchen auf. Meine Sorgenfalte wurde immer größer. Wir beschlossen, das Fläschchen hinzuzunehmen. Bisher war das noch nie notwendig gewesen, also mussten wir uns mal reinlesen. Das Milchpulver wird mit 70 Grad warmen Wasser angemischt und dann auf Handwärme runtergekühlt, bevor man es Tröpfchenweise auf die Zunge tropfen kann. Thermomix sei dank waren die Temperaturvorgaben kein Problem, auch weiteres Equipment, wie Spritzen hatten wir zuhause, und Babymilchpulver für den Notfall seit der Erfahrung mit Pünktchen (B-Wurf) auch. Nur brachte das alles nichts, denn Cedric machte sein Mäulchen nicht auf. 🙁 Die Fiebermessung ergab 36,9. Zuerst hatte ich mich erschrocken, dachte er sei unterkühlt, aber laut schlauem Buch dürfte das in der zweiten Lebenswoche so der Schnitt sein. Hauptsache, er hatte kein Fieber, denn eine Folge vom Verschlucken kann eine Lungenentzündung sein. Es war Samstag 7:00 … wen um Rat bitten? Wir riskierten mal ein WhatsApp an Horst und erhielten 5 Min später bereits einen Anruf: weiter mit dem Flascherl probieren, sollte er bis 12:00 nicht trinken, müssten wir zu ihm nach St.Pölten fahren. Um 10:30 berichteten wir nochmals sein Verhalten, als Alagna in die Box ging. Er robbte zur Zitze und trank nicht. Er wollte nicht mal das Maulchen aufmachen. Mit der Spritze schaffte ich sage und schreibe gerade mal 0,5ml. 🙁 Horst meinte, wir sollen doch gleich kommen.

Das Welpennotfallsprotokoll trat in Kraft: Willi, Elli und Ayoko nahmen Ryoko, Anna und Koyo nahm Mizūmi. Beide Hunde waren bis dahin noch nicht spazieren, also initialisierten Sophie und Aiko, die gerade auf Sommerfrische in unserem Ferienhäuschen hausten, gleich zwei Spaziergänge, wobei Ryoko beschloss den zweiten auszulassen und gemütlich mit Ayoko im Garten zu chillen. Wir konnten uns ganz auf den C-Wurf konzentrieren.

Mit den Welpen im Wäschekorb und Alagna im Fußraum machten wir uns auf den Weg nach St.Pölten. Na fast … wir waren schon ca. 10 Minuten unterwegs und ich wollte ein Foto für den Blog machen und deckte den leicht zugedeckten Wäschekorb auf. Im Spaß sagte ich noch zum Tom, ob eh alle da sind und zählte durch: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben 🤔 SIEBEN?! Ok, der Wäschekorb war eng, vielleicht lang einer unter den anderen. Ich hob sie der Reihe nach hoch und zählte: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben 😞 und nochmal. Vielleicht irgendwo unter den Handtüchern? eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben 😱 Vielleicht ist er aus dem Korb gekrabbelt, aber rundherum auf dem Sitz war auch nichts. eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben 😱😱 „Tom, wir müssen umdrehen, ich habe einen Welpen vergessen!“ Horrorvisionen spielten sich vor meinen Augen ab. Was, wenn er mir am Parkplatz rausgeflutscht ist und Tom ihn überfahren hat. Was, wenn er mir am Weg zum Auto rausgeflutscht ist und eine Krähe hat sich ihn geschnappt? Gottseidank habe ich ihn wirklich nur vergessen. Collar hätte fast den ersten Ausflug verpennt! Während alle anderen fast in Reih und Glied aufgereiht auf der rechten Seite der Box schliefen, versteckte sich Collar beim Einpacken im linken vorderen Eck, wo ich einfach nicht hinschaute. Ich habe einen Welpen übersehen! Ich sollte doch mehr schlafen.

Das brachte uns 10 Min Verspätung ein. Beim Horst angekommen war Alagna ganz außer sich. Was Tierärzte angeht mag die nur ihren Leckerlieonkel. Aber schließlich ließ sie Horst die Welpen untersuchen. Er beruhigte uns etwas und meinte Cedric wird wieder werden, brauchte aber mal einen Zaubertrank, um ihn wieder aufzupäppeln. Er bekam subkutan eine Zuckerlösung gespritzt und um der Gefahr einer Lungenentzündung vorzubeugen auch ein Breitbandantibiotikum. Über Letzteres war ich nicht begeistert, aber Horst versicherte mir, es sei notwendig. Wir sollten Cedric mal 5h Ruhe gönnen, mit der Pipette zufüttern und dann telefonieren wir wieder.
Bei der  17:00 Milchverteilung war unser Patient noch unverändert uninteressiert an den Zitzen. Ich versuchte es wieder mit der Welpenmilch. Langsam bekam ich den Dreh heraus. Ich legte mir Cedric auf die Oberschenkel, beugte mich über ihn drüber, machte ihm mit der linken Hand leicht das kleine Mäulchen auf und tropfte ihm O,1 ml nach dem anderen hinein. So schafften wir unsere ersten 2ml. Horst fragte immer wieder nach und beruhigte. Cedric brauche noch Zeit sich zu erholen. Auch seine Geschwister waren nach dem Ausflug sehr müde und was das Trinkverhalten angeht recht zurückhaltend.

Beim Abendessen war Cedric dann endlich wieder voll dabei, Horst sehr zufrieden und wir überglücklich. Ich solle trotzdem in der Nacht noch weiter zufüttern. Als fast schon Profis schafften Cedric und ich 6ml, von denen aber wahrscheinlich 1/4 auf mir landete. Er war kein Fan von Fertigprodukten, ganz nachvollziehbar. Mein T-Shirt roch nach Welpenmilch und Welpengacki, nachdem ich mich dazwischen mal auf eines in der Wurfbox gesetzt hab, ich stand in der Nacht auf, um Babynahrung zuzubereiten und zu füttern, in der Küche waren Babyfläschchen … jetzt könnte ich endlich mal bei diversen Müttergesprächen mitquatschen. 🍼👶

Wir waren auf eher ernüchternde Anzeigen auf der Waage gefasst und umso überraschter, als sich am Sonntag morgen herausstellte, dass jeder Welpe zugenommen hatte, wenn auch nicht ganz so viel wie an den Vortagen. Auch Horst meinte, es wird und wir blieben in Kontakt. Jederzeit erreichbar, gibt es für ihn wohl keinen Sonntag.

Für uns dann aber endlich schon. Erleichtert gönnten wir uns endlich den Vormittag, auf den wir schon seit Tagen warten: wir waren in der zweiten Lebenswoche. Violas schlaues Sensibilisiereungsbuch empfahl die Welpen in dieser Zeit an den Menschen zu gewöhnen, in dem man ihnen Hautkontakt anbot: kuscheln war angesagt. 🥰 Wir setzten uns nach der Reihe mit den Welpen auf die Couch, legten sie uns auf die nackte Brust und deckten sie mit den Bademänteln zu. Sie schmiegten sich an unsere Haut und schliefen ein. Die vollkommene Stille wurde von leichten Schlafgeräuschen versüßt, die kleinen Pfötchen im Traum bewegt. … so muss es sich anfühlen, Mutter zu sein.


Gedränge an der Milchbar auf youtube:

https://www.youtube.com/shorts/vY5frtYM0AE

auch als Playlist, die laufende erweitert wird:
youtube-playlist: Akitawelpen an der Milchbar

 

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